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Naßbäuchig im Wald

 

Ein Nachmittag im Wald meiner Ahnen, es regnet endlich, die Bäume sehen erfrischt aus.Hier haben schon meine Ururgroßeltern gespielt und zwei alte Eichen wissen das noch.Ich freue mich, doch zugleich ist Sorge da.Ich sehe die kranken Buchen, in den tiefen Treckerspuren steht das Wasser, der Boden komprimiert bis in die Tiefe, für die nächsten 1000 Jahre. Das Dilemma, die Gefahr, die Angst packen mich. Wie gehe ich damit um? 

Was kann ich in meiner Arbeit bereitstellen für mich, für Dich? 

Da ist die uralte und noch immer währende Einladung von Mutter Erde. 

Wir gehören zu ihr. Sie summt in unseren Zellen, sie ist das Leben. Noch immer dürfen wir in die Natur hinausgehen und dort Kraft schöpfen, uns ernähren von ihr, atmen in dem Raum, den sie erzeugt. Die Kraft für unser Handeln kommt von dort. Doch wir können an ihrem Leiden nicht mehr vorbeischauen. Und sollen das auch nicht.

Mein Verstand rattert los. Lösungen. Transformationsmodelle. Die Verbindung zu meinem Körper, zum Wald, zu den Sinnen ist gekappt, ich spüre nicht mehr, bin im Kopf. Als ich es bemerke, atme ich durch und schließe die Augen. 

Die Worte der Philosophin Mirabai Starr kommen mir in den Sinn: „Lösungen? Ja- aber später. Was wir zuerst tun sollten, ist, dass wir die leidende Welt in unsere Arme nehmen. Uns nah an sie schmiegen. Lauschen. Denn sie ist noch nicht tot. Ich glaube, dass wir die ultimative Katastrophe abwenden können, wenn wir uns erlauben, unsere Herzen zu öffnen und uns hineinzulehnen und zuzuhören.“

Gut, dass mir das einfiel. Ich lege mich bäuchlings ins feuchte Laub und atme aus. Ich spüre, wie riesig Mutter Erde unter mir ist, beinahe unvorstellbar. Lange liege ich so. Wir sind nicht mehr getrennt. Mein Schmerz und ihrer- beide sind da. Ich höre zu. Ja, sagt sie, so geht das - Du fühlst die organische Wurzel einer verbundenen, lebendigen Intelligenz – so entstehen Lösungen. Ich erzähle ihr, wie destabilisierend es ist, dass die alte Lebensweise nicht mehr funktioniert und das neue noch nicht geboren ist. Wie schwierig es für mich und alle anderen ist, uns anzulehnen und zu lauschen, mitten im Gedröhn der heißlaufenden und zusammenkrachenden alten Systeme, innen wie außen. Aber gerade bin ich da. Ich werde ruhig. So liege ich lange, naßbäuchig, traurig, getragen. Mitgefühl, Dankbarkeit für diesen Moment. 

Ja, ich habe eine schöne Aufgabe. In diesem großen Übergang hat jede*r eine ureigene „Heilige Aufgabe“. Wir brauchen Orte und weise Anleitung, um das tiefe Zuhören zu üben, das notwendig ist, um die Aufgabe zu finden und Kraft für den Weg nach vorne zu schöpfen. Ich bin sehr froh, dass ich beides immer wieder bekomme und mit der Naturarbeit für andere bereitstellen kann. 

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