Ist es nur das Schweigen der Gedanken? Ist es Entspannung? In den mystischen Traditionen ist Stille gleichbedeutet mit dem Urgrund des Seins. Sie ist die Weite des Göttlichen, des Transzendenten. Aus ihr geht alles hervor, zu ihr kehrt alles zurück. Diese Stille ist immer da. Sie ist größer als wir. Sie ist das Leben. Und ja, wenn wir dort eintauchen, kann das sehr entspannen und Gedanken sind nicht mehr im Fokus der Aufmerksamkeit. Schon immer gab es Menschen, die ihrer Sehnsucht nach der Erfahrung dieser Dimension folgten.
Warum brauchen wir das?
Die äußere Welt wird lauter- in rasantem Tempo. Durch den Medienkonsum fluten unentwegt Informationen zu uns herein. Es ist schon längst nicht mehr möglich, all das zu verarbeiten und einzuordnen. Woran kann ich mich noch orientieren? Wie krieg ich das sortiert? Evolutionsbiologisch sind wir Menschen dafür nicht ausgestattet. Zugleich ist es so dringend, dass wir sinnvoll handeln. Bedrohung und Wandel, komplexe Probleme, die ebensolche Lösungen brauchen- das gilt für meinen persönlichen Alltag ebenso, wie für das Kollektiv. Deshalb brauchen wir die Stille. So wie die Welt heute ist, wird vielleicht unser Überleben davon abhängen, wie sehr es uns gelingt, die Identifikation mit der Enge des Ego zu lockern, und in die Tiefe des SELBST, des Seins einzutauchen. Denn dort ist das Leben. Von dort können wir uns orientieren. Dort hat das Leben organische Filter, die alles Irrelevante aussortieren. Aus dieser Stille kommen auch Informationen zu uns- direkt – maßeschneidert. Das Leben selbst wartet immer auf uns.
Wenn es so gut ist- warum fällt es dann so schwer?
Keine Sorge, es gibt da kein persönliches Versagen. In der Traumatherapie sprechen wir von „Ruhetoleranz“ - die Fähigkeit, zur Ruhe zu kommen und es auszuhalten, dass gerade „nichts ist“. Ja, viele von uns können das nicht. Und das ist ok. Das kann man üben, es fängt mit Sekunden an. So erleichternd zu erfahren, wie klein das beginnen darf. Menschen mit Trauma im System haben es schwerer mit der Stille- und gerade wir sehnen uns so sehr danach! Viele von uns brauchen Anleitung, um dorthin zu kommen.
Wie kann ich in Stille eintauchen?
Der Atem ist ein König*innenweg in vielen Traditionen. Am Ende jedes Ausatmens lädt die Stille uns ein, dort ein wenig zu verweilen. Mit jedem Einatmen zeigt sie uns, wie aus ihr frisch das Leben emporsteigt. Doch es gibt viele Wege – disziplinierte und verrückte, ruhige und aktive, Micromomente, mitten im Alltag und Auszeiten - auf der Yogamatte, im Wald, in Verbindung mit Natur. Es gibt so viele Wege wie Menschen.
Da ich zu den Menschen gehöre, die mit der unausweichlichen Sehnsucht nach dieser Dimension unterwegs sind, habe ich viele Wege erforscht. Ich gebe Wissen und Erfahrung von Herz zu Herz weiter. Um den passenden Weg gemeinsam zu entdecken. Und ich liebe diesen Moment, wenn es dann geschieht- ah- jetzt - ja- hineingeglitten in die Weite, in Raum und dann- Stille.
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